Pressemitteilung
25.11.2025
Forschungspreis der Dr. K. H. Eberle Stiftung für Projekt zur verantwortungsvollen Nutzung von Large Language Models im Deutschunterricht der gymnasialen Oberstufe.
Der Forschungspreis der Dr. K. H. Eberle Stiftung an der Universität Tübingen geht in diesem Jahr an Professorin Carolin Führer vom Deutschen Seminar an der Philosophischen Fakultät und an Professorin Ulrike Cress vom Leibniz-Institut für Wissensmedien. Ausgezeichnet werden die beiden Wissenschaftlerinnen für ihr Projekt „Literarische Wissenskonstruktionen mit KI: Ko-konstruktives Lernen im Deutschunterricht der Zukunft“. Mit dem Forschungspreis unterstützt die Dr. K. H. Eberle Stiftung innovative Projekte, die sich mit drängenden Fragen der Zukunft beschäftigen. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert.
Das ausgezeichnete Projekt befasst sich mit der Auseinandersetzung mit komplexen und uneindeutigen Texten durch junge Menschen, die zentral für Perspektiven- und Meinungsvielfalt in einer demokratischen Gesellschaft ist. Im Kern stehen drei Fragstellungen: Wie lässt sich mit Sprach-KI ein konstruktiver Wissenserwerb und eine sinnvolle Anschlusskommunikation zu Literatur erreichen? Wie kann sie helfen, sprachliche, historische und kulturelle Fremdheit zu begreifen? Und wie kann sie zur Beschäftigung mit Literatur motivieren und zugleich ein besseres Verstehen mehrdeutiger Texte fördern?
„Als Stiftung sind wir stolz darauf, innovative Ideen zu unterstützen“, sagt Dr. Alexandra Zoller, Vorstandsmitglied der Dr. K. H. Eberle Stiftung. „Mit der Förderung des Projekts ,Literarische Wissenskonstruktion mit KI‘ kommen wir dem Wunsch unseres Stifters nach, der immer in Köpfe und in Bildung investieren wollte.“
Generative Sprach-KI, Large Language Models (LLM), sind Teil des Alltags und somit auch Thema im Literaturunterricht. Werden sie sinnvoll in den Unterricht integriert, können sie das literarische Lesen individuell unterstützen und neue Formen des Nachdenkens über Literatur eröffnen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass die LLM als bloße Antwortmaschine verwendet werden. Damit droht Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit verloren zu gehen, Literatur zum komplexen Verstehen und zum Perspektivwechsel zu nutzen. Lehrkräften wiederum fehlen in diesem Bereich pädagogisch sinnvolle Werkzeuge.
In dem Projekt wird eine KI-gestützte Lernumgebung entwickelt, in der Schülerinnen und Schüler etwa Franz Kafkas Literatur erkunden können. Die Lernenden begegnen dabei verschiedenen KI-gesteuerten Rollen, die unterschiedliche Sichtweisen auf den Text als Avatare verkörpern und damit zum Nachdenken, Hinterfragen und Begründen eigener Interpretationen anregen.
Die Schülerinnen und Schüler erfahren so unmittelbar, dass literarische Werke vielfältige Deutungsmöglichkeiten eröffnen, die argumentativ jeweils unterschiedliches Gewicht entfalten. „Das Projekt verbindet unsere Forschungen zu Wissenskonstruktion und dem schulischen Erwerb von Text- und Medienkompetenz“, sagt Prof. Dr. Carolin Führer, die betont, wie wichtig es ist, unterschiedliche Perspektiven in Texten wahrzunehmen und gegeneinander abzuwägen. „Ich freue mich, dass das nun für den Literaturunterricht nutzbar gemacht werden kann“, sagt Prof. Dr. Ulrike Cress.
Aus dem Projekt soll eine skalierbare, datenschutzkonforme KI-gestützte Lernplattform entstehen, die als offene Bildungsressource über Landesinstitute bereitgestellt und bundesweit verwendet werden kann. Die Entwicklung der Lernumgebungen erfolgt interdisziplinär unter Beteiligung von Literatur- und Mediendidaktik, kognitiver Psychologie und Schulpraxis und nutzt dazu vorhandene Infrastrukturen wie den Studientag Deutschlehrer:innenbildung, das Brechtlabor oder das Tübingen Digital Teaching Lab (TüDiLab), das zusammen von IWM und der Universität Tübingen betrieben wird.
„Mit dem Projekt zeigen Professorin Carolin Führer und Professorin Ulrike Cress, wie verantwortungsvolle Forschung innovative Technologien in den Bildungsalltag integriert“, sagt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen. „Geistes- und Technikwissenschaften werden verknüpft und stärken damit die KI-Forschung im Bereich Bildung und Medien sowie Digital Humanities. Das Projekt unterstreicht unser Leitbild „Research – Relevance – Responsibility“, indem es zentrale Herausforderungen schulischer Praxis adressiert.“
Seit 2017 zeichnet die Dr. K. H. Eberle Stiftung jährlich ein innovatives Forschungsprojekt an der Universität Tübingen aus. Die Stiftung mit Sitz im baden-württembergischen Lörrach wurde aus dem Vermögen des Unternehmers Dr. Karl-Helmut Eberle gegründet und engagiert sich in der Forschungs- und Innovationsförderung in Tübingen und anderen Hochschulen. Eberle, der im November 2015 im Alter von 88 Jahren starb, hatte an der Universität Tübingen Medizin studiert, promoviert und war danach erfolgreich in der Immobilienbranche tätig.
Kontakt:
Prof. Dr. Carolin Führer
Deutsches Seminar
Universität Tübingen
Telefon +49 7071 29-72344
E-Mail: carolin.fuehrer@uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Ulrike Cress
Leibniz-Institut für Wissensmedien
Telefon +49 7071 979-209
E-Mail: u.cress@iwm-tuebingen.de



Pressemitteilung | 6.11.2025